Herr und Frau M. errichteten ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben bestimmten. Der überlebende Ehegatte sollte über das gemeinsame Vermögen frei verfügen können. Erst nach dem Tod beider Elternteile sollten ihre vier Kinder – A, B, C und D – das Erbe antreten.
Um mögliche Streitigkeiten zu vermeiden, nahmen sie eine Jastrowsche Klausel in ihr Testament auf. Diese besagte, dass ein Kind, das nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil geltend machte, auch nach dem Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten sollte. Gleichzeitig sollte den Geschwistern, die ihren Pflichtteil nicht einforderten, ein Vermächtnis aus dem Nachlass des Erstversterbenden zustehen. Die Auszahlung dieses Vermächtnisses sollte allerdings erst mit dem Tod des Letztversterbenden erfolgen.
Nach dem Tod des Vaters entschieden sich C und D, gegenüber der Mutter ihre Pflichtteilsansprüche geltend zu machen. Die Mutter erfüllte die Pflichtteilsansprüche. Trotz Abzug der Pflichtteilsansprüche musste die Mutter noch Erbschaftssteuer zahlen und möchte auch die Vermächtnisse zugunsten der anderen beiden Kinder vom Nachlassvermögen abziehen, um unter ihren Steuerfreibetrag zu bleiben.
Ist das möglich?
Der Fall wirft eine steuerrechtliche Frage auf: Wer kann die Vermächtnisse als Verbindlichkeit bei der Erbschaftssteuerberechnung geltend machen? Der überlebende Ehepartner oder die Schlusserben? Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil (BFH II R 34/20) seine Rechtsprechung zu aufschiebend bedingten und betagten Ansprüchen bestätigt. Die Mutter kann die Vermächtnisse daher nicht unmittelbar vom Nachlassvermögen abziehen, um ihre Erbschaftssteuerlast zu reduzieren. Entscheidend ist, dass die Vermächtnisse erst beim Tod des Letztverstorbenen anfallen und damit erst zu diesem Zeitpunkt steuerlich relevant werden. Die Schlusserben können die Vermächtnisse als Nachlassverbindlichkeit ansetzen, sind aber gleichzeitig Begünstigte, sodass sich für sie kein Steuerspareffekt ergibt.